Wild West bei Freudenberg–Vliesstoffe KG

Belegschaft als Spielball der Geschäftsleitung

[IG BCE Nachrichten vom Juli 2006]

Am Freitag, den 30. Juni 2006, wurde den Beschäftigten der Vliesstoffe KG schriftlich mitgeteilt, dass ab dem 1.7.2006 der Flächentarifvertrag Chemie Anwendung findet und demzufolge das persönliche Entgelt, mit Wirkung ab dem 1.7.06, dieser neuen Entgeltstruktur angepasst wird. Aufgrund einer willkürlich herunter gestuften Eingruppierung durch die Geschäftsleitung bedeutet dies, dass der Großteil der Vliesstoffe Belegschaft, inkl. der Tarifangestellten massive Lohn-, bzw. Gehaltseinbußen (im Durchschnitt ca. 300 Euro/Monat) hinnehmen soll. In Einzelfällen sogar bis zu weit über 1000 Euro im Monat.

Der Betriebsrat musste in der letzten Woche fast 1000 Einzelwidersprüche formulieren, um entsprechend den gesetzlichen Vorschriften, die falschen Einstufungen zu stoppen und gleichzeitig, für alle Betroffenen, den Rechtsweg in Form einer Klage zu ermöglichen. Die Gewerkschaft bietet allen Gewerkschaftsmitgliedern die kostenlose Übernahme des Rechtsschutzes an.

Mit dieser Maßnahme zeigen die Herren Tanda und Brasch von der Geschäftsleitung ihr wahres Gesicht. Ohne jede Rücksicht auf die Belange der Beschäftigten sollen die geplanten Kosteneinsparungen durchgezogen werden. Besonders perfide ist dabei, dass der Betriebsrat der Vliesstoffe KG in den Briefen als der Verantwortliche dargestellt wird, durch dessen Verhalten diese Maßnahme unumgänglich geworden sei. Genau dieser Betriebsrat hatte zuvor den Versuch unternommen, mit einem Spitzengespräch, unter Einschaltung der Konzernleitung und des Landesbezirksvorsitzenden der Gewerkschaft IG BCE, doch noch eine Kompromisslösung, im Rahmen eines Gesamtpaketes, zu finden.

Geschäftsleitung und Konzernleitung tragen die Verantwortung für die Eskalation

In dem die Geschäftsleitung nun, unmittelbar vor der geplanten Aufnahme der Gespräche, vollendete Tatsachen zu schaffen versucht, hat sie bewusst die Gesprächsinitiative unterlaufen. Offensichtlich setzt sie darauf, dass durch den nun erzeugten wirtschaftlichen Druck auf die Beschäftigten, diese nun ihrerseits den Druck an den Betriebsrat weitergeben, um diesen doch noch zu den von der Geschäftsleitung gewünschten Zugeständnissen, und damit zu langfristig wirkenden Verschlechterungen, zu zwingen. Für fast alle bedeutet diese beabsichtigte Einkommenskürzung, dass sie in enorme finanzielle Schwierigkeiten kommen, viele bekommen dadurch auch psychische Probleme. Die Verteilung der Briefe hat aber auch dazu geführt, dass am Freitag, den 30.6.06, ein Großteil der Maschinen und Anlagen still standen, weil sich die Beschäftigten, bei ihrem Betriebsrat, über den weiteren Fortgang erkundigen mussten. Aufgrund der mitgelieferten Tätigkeitsbeschreibung, kann jeder/jede erkennen, dass die Entgeltkürzungen durch falsche Tätigkeitsbeschreibungen durchgedrückt werden sollen.

Die Vorgehensweise der Geschäftsleitung nach Wild-West-Manier schlägt nicht nur allen Beschäftigten ins Gesicht, sie widerspricht auch völlig den Unternehmensleitsätzen des Freudenbergkonzerns. Dass diese Leitsätze offensichtlich nur auf dem Papier stehen, um nach außen hin das soziale Image des Konzerns zu wahren, das zeigt die Reaktion der Konzernleitung auf die Vorgänge bei der Vliesstoffe KG. Die Aufforderung des Konzernbetriebsrats an die Konzernleitung, insbesondere die persönlichen Angriffe gegen den Betriebsrat zu unterbinden, hat die Konzernleitung brüsk zurückgewiesen und die Vliesstoffe- Geschäftsleitung demonstrativ in Schutz genommen.

Die Reaktion der Vliesstoffe-Geschäftsleitung stellt den derzeitigen Höhepunkt einer Auseinandersetzung dar, die nun schon seit vielen Monaten geführt wird. Was sind die Hintergründe?

Im Rahmen des Zukunftskonzepts „Fit für die Zukunft“ sollen bei der Vliesstoffe KG von ca. 1400 Beschäftigten allein in Weinheim ca. 350 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, durch Produktionsverlagerung nach Osteuropa und durch Strukturänderungen in Technik und Verwaltung. Die ersten 18 Kündigungen im technischen Bereich wurden schon Ende Mai ausgesprochen. Der Hauptteil der Kündigungen, aufgrund der Produktionsverlagerung, soll im 1. Quartal 2007 erfolgen.

„Fit für die Zukunft“ heißt auch: Weitere Aufspaltung des Betriebes in vier selbständige Gesellschaften, ab dem 1.7.2006; sowie einschneidende Kostensenkungsmaßnahmen bei Löhnen und Gehältern. Diese Kostensenkung will die Geschäftsleitung durch die Überführung der Tarife in einen spezifischen Firmentarifvertrag abweichend vom Flächentarifvertrag der Chemischen Industrie durchsetzen. Zu diesem Zweck wurde die ursprüngliche Freudenberg-Tarifgemeinschaft schon im Sommer 2004 aufgekündigt.

Verlängerung der Arbeitszeit soll Personalabbau ermöglichen!

Kernpunkt der Auseinandersetzungen um den neuen Tarifvertrag ist die geplante Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden/Woche ohne Lohnausgleich und massive Verschlechterungen bei den Einkommen.

Alle Verhandlungen einschließlich der Verhandlungen bei der Einigungsstelle sind gescheitert, weil die Geschäftsleitung kompromisslos an ihrem Personalabbau- und Produktionsverlagerungskonzept und der Einführung der 40-Stundenwoche festhält. Der Großteil der Belegschaft und der Betriebsrat der Vliesstoffe KG widersetzen sich diesem Diktat der Geschäftsleitung.

Für den Betriebsrat ist klar: Die Einführung der 40-Stundenwoche soll durchgesetzt werden, um den Personalabbau von ca. 350 Beschäftigten überhaupt erst durchführen zu können. Angesichts der sehr guten Auftragslage ist ein so einschneidender Personalabbau nur möglich, wenn er gleichzeitig über die Ausweitung der Arbeitszeit für das Restpersonal kompensiert wird. Die Verlängerung der Arbeitszeit schafft also unmittelbar erst den Spielraum für den Personalabbau.

Gemeinsamer Widerstand und Solidarität aller Beschäftigten bei Freudenberg ist notwendig!

Die Belegschaft und der Betriebsrat haben ihren Widerstand gegen die geplanten Maßnahmen nun schon mehrfach über verlängerte Betriebsversammlungen mit anschließenden Demonstrationen durch den Freudenbergstandort und die Stadt Weinheim zum Ausdruck gebracht. Am 14.6. wurde eine Demonstration gemeinsam mit anderen Freudenbergbelegschaften in Weinheim durchgeführt.

Seit Monaten versucht die Geschäftsleitung die Belegschaft und den Betriebsrat zu spalten. Mit bewussten Fehlinformationen und einer ausgesprochenen Hetzkampagne gegen einzelne Mitglieder des Betriebsrats, versucht sie den Widerstand zu brechen. In der Betriebsversammlung am 14.6.06 kam es vor diesem Hintergrund sogar zu einem tätlichen Übergriff eines höheren Angestellten gegenüber dem BRVorsitzenden als Hausherr der Betriebsversammlung. Seit Wochen wird der BR-Vorsitzende mit Emails mit persönlich beleidigendem Inhalt bombardiert, die auch über den betriebsinternen, weltweiten Mailverteiler allen Angestellten zugänglich sind. Das sind die Früchte der gezielten Hetzkampagne der Geschäftsleitung.

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