Offener Antwortbrief des Betriebsrates

[Offener Antwortbrief des Betriebsrates der Freudenberg Bausysteme KG an die Konzernleitung Freudenberg in Weinheim]

An die Konzernleitung Freudenberg
z. Hd. Herren Sost und Dr. Bettermann

[Weinheim, den 05.01.2007]

Sehr geehrte Herren der Konzernleitung,

bezug nehmend auf das Schreiben von Herrn Sost, vom 2. Januar 2007, nimmt der Betriebsrat wie folgt Stellung:

Die Fragestellungen aus dem offenen Brief des Betriebsrats vom 21.12.2006 werden entweder nicht oder nur unzureichend beantwortet.

Sicher ist auch uns klar, dass bestimmte Informationen nicht für die allgemeine Öffentlichkeit gedacht sind. Aber um solche Informationen handelt es sich nicht bei den gestellten Fragen.

Die von Herrn Sost geäußerte Sichtweise über die angeblich sehr schlechte wirtschaftliche Situation der FBS KG ist für uns nicht nachvollziehbar. Immerhin hat die Bausysteme KG in 2006 das Planziel von 5,5 Mio. Euro Ergebnis mit über 8 Mio. Euro Ergebnis weit überschritten. Gemessen an der Umsatzrendite liegt die FBS KG damit bei immerhin 5%, im Gegensatz zum Konzern, der im Jahr 2005 mit 4,2% abgeschlossen hat.

Gerade Sie, Herr Sost, haben noch im März 2006 auf einer Vertriebstagung gesagt, dass FBS bei Erreichen der Planzahl von 5,5 Mio. Euro die Voraussetzung für eine eigenständige Fortführung der Geschäfte erfülle. Ist dies für Sie "das Geschwätz von gestern", das Sie heute nicht mehr interessiert? Wie glaubwürdig sind eigentlich Sie selbst oder auch die Konzernleitung, wenn es um die Einhaltung von Zusagen geht? Wo genau liegt denn heute die Gewinnmarge, ab der auch die Konzernleitung oder die Gesellschafter zufrieden gestellt werden können?

Die Bausysteme-Beschäftigten müssen doch zwangsläufig den Eindruck erhalten, dass sie im Unternehmensverbund nicht mehr gewollt sind, dass sie abgeschrieben sind, weil die Produktion der Bodenbeläge, aus Sicht der Konzernleitung, nicht mehr zum Kerngeschäft gehört.

Auf welcher Grundlage werden solche Entscheidungen eigentlich getroffen? Diejenigen, die jahrelang die hohen Gewinne gerade für die Konzernleitung und die Gesellschafter erarbeitet haben, hat man jedenfalls nicht gefragt, was sie davon halten. Auch jetzt, wo die Verkaufsgespräche laufen, ist die Meinung der Beschäftigten nicht gefragt.

Die Belegschaft der Bausysteme KG hat aber den Anspruch, wenigstens zu erfahren, wie das zukünftige strategische Konzept für eine zukunftsfähige Weiterführung der Bausysteme-Geschäfte aussieht und dies, ein Verkaufsvertrag mit einem Kaufinteressenten unterschrieben wird. Es geht bei dem vom Freudenbergkonzern angestrebten Verkauf der Bausysteme KG nicht einfach nur um eine Finanztransaktion, es geht hier um die Arbeitsplätze der Bausysteme- Mitarbeiter/innen. Es geht um die Existenzgrundlage von fast 1000 Menschen und ihrer Angehörigen. Und es geht um die möglichen negativen Auswirkungen auf den Standort Weinheim der Firma Freudenberg.

Die Befürchtungen der Belegschaft, gerade im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Konzernleitung, sind mehr als begründet. Die Schließung der kd.focus KG zum 30.6.2007, des ehemaligen Logistik-Dienstieisters von Freudenberg bei der Freudenberg Service KG, die erst Ende 2005 an die Spedition Karl Dischinger verkauft worden war, ist für die Beschäftigten der FBS-KG eine deutliche Warnung. Schließlich verlieren über 70 langjährige Freudenberg-Beschäftigte dadurch ihren Arbeitsplatz.

Auch das Beispiel der ehemaligen Bodenbelagshersteller Pegulan in Frankenthaloder Mipolam in Troisdorf lässt nicht unbedingt Gutes erwarten. Bei beiden Firmen wurden die Produktionsstandorte in Deutschland innerhalb weniger Jahre nach der Übernahme durch Konkurrenten platt gemacht.

Die im Schreiben vom 2. Januar angeführte Begründung für den geplanten Verkauf ist aus Sicht des Betriebsrats nicht wirklich stichhaltig und nachvollziehbar. Der Verkauf an ein Konkurrenzunternehmen erscheint uns als die schlechteste und langfristig schädlichste Variante für die FBS KG. Eine erfolgreiche Fortführung der Aktivitäten ist nur schwer vorstellbar, wenn z. B. wichtige Argumente für die hochpreisigen nora-Bodenbeläge möglicherweise nicht mehr verwendet werden können.

Zu den Hauptvorteilen und als eines unserer wichtigsten Verkaufsargumente für die nora-Beläge gelten PVC-Freiheit und Umweltverträglichkeit. Diese Argumente würden zwangsläufig in Frage gestellt, wenn wir Teil eines Unternehmens werden, dessen Hauptprodukt eben die elastischen PVC Bodenbeläge sind.

Darunter litte die Verkäuflichkeit unserer Produkte, mit der Folge, dass die Aufträge zurückgingen und das Unternehmen dann überhaupt erst die roten Zahlen schreiben würde, die man mit dem Verkauf zu umgehen behauptet. Wie langfristig ein neuer Eigentümer eine solche Situation mittragen würde, sei dahingestellt.

Unsere nora-Produkte sind hochberatungsintensiv, nora-Bodenbeläge werden nicht im Baumarkt "von der Stange" gekauft, im Gegensatz zu den Produkten irgendeines Wettbewerbers. Wir sind auf eine hoch qualifizierte Vertriebs- und Beratungsstruktur angewiesen, um am Markt bestehen zu können.

Wir wollen deshalb wissen:
  • Wie wird der zukünftige Erwerber unsere Produkt- und Vertriebsstruktur strategisch weiterführen?
  • Wird unser Vertrieb eine eigenständige Verkaufspolitik (auch dauerhaft) machen können oder ist eine Zusammenlegung der Vertriebsstrukturen unterschiedlicher Produktgruppen geplant?
  • Was ist das strategische Gesamtkonzept für eine zukunftsfähige Weiterführung der Bausysteme-Geschäfte?
Im Interesse der Erhaltung des Betriebsfriedens fordern wir die Konzernleitung auf, endlich der Belegschaft "reinen Wein einzuschenken" und die nach wie vor offenen und wichtigen Fragen zu beantworten.

Der Betriebsrat fordert zudem, vor Abschluss eines Kaufvertrages, ein gemeinsames Gespräch zwischen der Konzernleitung Freudenberg, der zukünftigen Konzernleitung des Bewerbers, dem Konzernbetriebsrat Freudenberg und dem Betriebsrat der Freudenberg Bausysteme KG, um die Zukunftsstrategie für die FBS KG gemeinsam zu erörtern.

Angesichts der Tragweite und der möglichen Auswirkungen des geplanten Verkaufs, sollte dies für alle Beteiligten selbstverständlich sein.

Etwas anderes widerspruchslos hinzunehmen, ist die Belegschaft der Bausysteme KG nicht gewillt.

In Erwartung einer baldigen positiven Antwort verbleiben
mit freundlichen Grüßen

Karl-Heinz Kuschel
Betriebsratsvorsitzender

Helmut Schmitt
stellv. Betriebsratsvorsitzender

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