DGB kritisiert Nora Systems

[junge Welt vom 26. Juli 2012]

Gewerkschaftsbund solidarisiert sich mit gekündigtem Betriebsrat.

Der örtliche DGB in Weinheim (Baden-Württemberg) hat sich mit dem gekündigten Betriebsratsmitglied Helmut Schmitt beim Baustoffhersteller Nora Systems solidarisiert. Eine entsprechnende Erklärung wurde am Dienstag verbreitet. Schmitt war, kurz nachdem bekannt geworden war, daß das Unternehmen verkauft werden soll, fristlos entlassen worden.

Der Gewerkschafter, der auch Vorsitzender der Ortsgruppe Weinheim der IG BCE ist, war den Angaben zufolge 31 Jahre lang Betriebsratsmitglied in der Firma. Unmittelbar vor seiner Kündigung hatte die Betriebsratsmehrheit den Antrag auf seinen Ausschluß aus dem Betriebsrat beim Arbeitsgericht gestellt.

Der DGB fordert, beide Entscheidungen rückgängig zu machen. »Es sieht ganz danach aus, daß hier ein kritisches Betriebsratsmitglied kaltgestellt werden soll, um ungestört den Verkauf von Nora Systems durchziehen zu können«, erklärte Vorsitzende Maria-Luise Weiß. Als die ehemalige Freudenberg Bausysteme GmbH vor fünf Jahren an einen direkten Konkurrenten verkauft werden sollte, habe die Belegschaft vehementen Widerstand geleistet. Dadurch hätte sie erreichen können, daß statt dessen andere Investoren zum Zuge kamen. Schmitt habe damals »als stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats in der ersten Reihe der Widerständler« gestanden. Daß er nun in ähnlicher Situation aus dem Betriebsrat entfernt werden soll und zusätzlich seine fristlose Kündigung erhielt, ist für den Weinheimer DGB »skandalös«.

Scharfe Kritik übt der Gewerkschaftsbund an der Mehrheit des aktuellen Betriebsrates, der der Kündigung zugestimmt und das Ausschlußverfahren gegen Schmitt eingeleitet hatte. Ein solches Verhalten sei »nicht hinnehmbar«, es schwäche die Position der Belegschaft beim anstehenden Verkauf von Nora Systems. Ausgerechnet derjenige, der als Betriebsrat das größte Vertrauen der Belegschaft genieße, werde nun ausgeschaltet, heißt es weiter. Bei der Betriebsratswahl 2010 erhielt Helmut Schmitt den Angaben zufolge mit Abstand die meisten Stimmen von der Belegschaft. Er sei jedoch »wider Erwarten eines Großteils der Beschäftigten nicht zum Vorsitzenden gewählt« worden. Seitdem versuchten Geschäftsleitung und Betriebsratsmehrheit, Schmitt in seiner Betriebsratsarbeit einzuschränken und durch Gerichtsprozesse und Abmahnungen einzuschüchtern, so der DGB. Den Angaben zufolge wird dem Gekündigten unterstellt, er habe auf einer Betriebsversammlung den Betriebsratsvorsitzenden und die Geschäftsleitung der Bestechlichkeit bzw. der Bestechung beschuldigt.

Für den örtlichen Gewerkschaftsbund ist »offensichtlich«: Während Helmut Schmitt bekanntermaßen »stets auf seiten der Belegschaft« stehe, fälle die Betriebsratsmehrheit Entscheidungen, »die offenkundig mit der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen nicht vereinbar seien«, heißt es weiter. Zudem fordert der Weinheimer DGB, »daß der gegenwärtige Betriebsrat zurücktritt und so den Weg für Neuwahlen frei macht«. Nur so könne »das Vertrauen zwischen Belegschaft und Betriebsrat wieder hergestellt werden«.

Die Erklärenden betonen, es gehe »nicht nur um die Unterstützung eines einzelnen Betriebsratsmitglieds«. Wenn es üblich werde, daß Betriebsräte wegen Meinungsäußerungen auf Betriebsversammlungen, die sie in ihrer Funktion als Betriebsrat abgeben, fürchten müssen, fristlos entlassen zu werden, würde das »die Arbeit der Betriebsräte insgesamt« infragestellen. Dies wäre »ein schwerer Eingriff in die demokratischen Rechte«, so der DGB.

Sinn und Zweck von Betriebsversammlungen würden damit »in ihr Gegenteil verkehrt, weil sich dann erst recht keine Kollegin und kein Kollege mehr trauen würde, auf Betriebsversammlungen noch kritische Äußerungen zu machen«. Demokratische Rechte wie Meinungsfreiheit müßten aber auch im Betrieb Geltung haben. (jW)

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