Gefangen im Fahrstuhl, der nach unten fährt

[Rhein-Neckar-Zeitung vom 02. Mai 2009]

Weinheim. (keke) Die Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise liegt wie ein Schleier über dem Land. "Sie trübt jegliche Feiertagslaune und macht besorgt", artikulierte OB Heiner Bernhard auf der gestrigen Maikundgebung des Weinheimer DGB auf dem Marktplatz die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die damit verbundenen Ängste und Nöte der Menschen. Die Art und Weise, wie die Politik in Deutschland auf die unliebsamen Erscheinungen der Finanzkrise reagiert habe, verdiene Respekt, scheute sich Bernhard zugleich nicht vor Aussagen, "die möglicherweise nicht allen gefallen".

Stützungsmaßnahmen, die den einen zu weit gingen, seien für andere noch nicht genug. Dasselbe gelte für die Auswahl der Empfänger von Hilfs- und Rettungsgeldern. Dies zu beanstanden sei einfacher als das Bemühen um richtige Entscheidungen, so Bernhard. Niemand könne beurteilen oder voraussehen, was richtig und ausgewogen sei und welche Entwicklung auf diesem unsicheren Feld eintreten werde: "Ein Spagat, den die Politik hinkriegen muss."

Ausführlich ging das Stadtoberhaupt noch einmal auf die von ihm bereits am Vorabend im Rahmen des Maiempfangs gemachten Ausführungen zum Thema der von der Unternehmensgruppe Freudenberg geplanten Stelleneinsparungen ein (siehe weiteren Bericht). In einer kommunalen Verantwortungsgemeinschaft dürften nicht die Menschen mit Arbeitsplatz in der ersten Klasse sitzen und jene ohne Arbeit auf der Holzbank: "Solidarität ist angesagt". Die Voraussetzungen für Solidarität und soziale Verwurzelung in Weinheim seien gut, so Bernhard.

Wie bereits in der jüngsten Vergangenheit geschehen, so biete er im Falle Freudenberg auch jetzt seine persönliche Vermittlung an: "Und ich werde weiterhin appellieren, dass man gerade bei Einschnitten auch den Menschen sehen muss und nicht nur die Planstellen".

Teilweise Unmut unter den Anwesenden rief Bernhards Aussage hervor, er könne bei Freudenberg derzeit keine unternehmerische Verantwortungslosigkeit erkennen.

60 Jahre DGB und 60 Jahre Bundesrepublik, dazu 20 Jahre Deutsche Einheit: Unter dem Motto "Feiern, Krise und Wahlen" stelle das Superwahljahr 2009 ein Jahr voller Gegensätze dar, das zugleich ein Super-Krisenjahr zu werden drohe, machte Maria-Luise Weiß deutlich. Deutschland brauche einen Neuanfang und eine Wirtschaftsordnung, die dem Wohle aller Menschen diene, anstatt "Reiche noch reicher und Arme noch ärmer zu machen", so die DGB-Ortsvorsitzende. An die Verantwortlichen der Unternehmensgruppe Freudenberg appellierte Weiß, die Weichen für eine soziale Unternehmenspolitik neu zu stellen und für den sozialen Arbeitgeber zu stehen, den man in der Öffentlichkeit gerne abgebe: "Wir brauchen Vorfahrt für Beschäftigung und keine Spekulationen oder kurzsichtige Manager-Entscheidungen."

Jahrelang seien gesellschaftliche Spielregeln missachtet worden, legte Industrie- und Sozialpfarrer Martin Huhn vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) seinen Finger in offene Wunden. Es gehöre zur Würde des Menschen, dass Arbeit existenzsichernd sei und Qualifikation und Selbstverwirklichung fördere. Immer mehr Menschen aber hätten das Gefühl, in einem Fahrstuhl eingesperrt zu sein, der nach unten fährt: "Sie kommen nur noch als Kostenfaktor vor!"

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