Chancengleichheit ist die große Herausforderung
[Weinheimer Nachrichten vom 10. Februar 2009]
Weinheim. Im Rahmen einer gut besuchten Konferenz befasst sich der Deutsche Gewerkschaftsbund mit dem Thema "Aus-/Bildung". Den ersten Fachvortrag hielt Hans Ulrich Nordhaus, der beim Bundesvorstand des DGB für den Bereich Bildung, Qualifizierung und Forschung zuständig ist. Er erläuterte den gegenwärtigen Stand im Bildungs- und Ausbildungswesen in Deutschland.
Insbesondere die Übergangsprobleme von der Schule in die Ausbildung standen dabei im Mittelpunkt. So würden nur 43 Prozent der Hauptschulabsolventen eine Ausbildungsstelle finden. Die Mehrheit lande nach dem Abschluss in Warteschleifen. Auf der anderen Seite, so Nordhaus, schaffen es 83 Prozent der Akademikerkinder an die Universität. Bei den Kindern von Nicht-Akademikern seien es nur 23 Prozent.
Die Herstellung von Chancengleichheit sei deshalb eine der großen Herausforderungen, die das Bildungssystem in Deutschland erst noch zu meistern habe. Aus den Ergebnissen der Bildungsforschung heraus plädierte Nordhaus dafür, dass die Kinder länger gemeinsam lernen sollten. "Die Trennung nach der vierten Klasse kommt viel zu früh", so Nordhaus.
"Schmalspur"-Ausbildung
Im Bereich der Ausbildung machte der Gewerkschafter zwei Besorgnis erregende Trends aus. Auf der einen Seite zeigten die Unternehmen eine verringerte Neigung auszubilden. Sie würden oft versuchen, die Ausbildungskosten zu senken, und versuchten dann, bereits fertig ausgebildetes Personal zu finden. Die andere Seite der Medaille sei die Zunahme von "Schmalspur-Ausbildungen", mit welchen unvermeidliche Lücken beim Angebot an qualifiziertem Personal ausgeglichen werden sollten. Diese Entwicklung hielt Nordhaus für fatal. Dringend nötig sei die seit Jahren diskutierte Ausbildungsumlage.
Im zweiten Vortrag wurde das Thema des Übergangs von der Schule in die Ausbildung auf der lokalen Ebene beleuchtet. Dr. Susanne Felger von der kommunalen Koordinationsstelle für das Übergangsmanagement Schule-Beruf der Stadt Weinheim berichtete über die Aktivitäten der Stadt auf diesem Gebiet.
So würden an der Bergstraße nur 22 Prozent der Hauptschulabsolventen direkt eine Ausbildungsstelle finden. Von den 16 Prozent, die ins Berufsvorbereitungsjahr wechseln, würden dann immerhin noch 19 Prozent eine Ausbildung beginnen können. Hier sei die Stadt in den letzten Jahren aktiv geworden, um diese Probleme mit kommunalen Mitteln zu verringern. Hierzu habe die Stadt die kommunale Koordinierungsstelle geschaffen, welche für eine bessere Vernetzung der verschiedenen Akteure und Initiativen sorgen soll.
Die Jugendberufshilfe werde durch die kommunale Agentur Job Central geleistet, welche in diesem Jahr ihr zehntes Bestehen feiern könne. Der Oberbürgermeister habe sich weiterhin mit der Berufsintegrationskommission ein Expertengremium geschaffen, welches ihm bei dieser Chefsache beratend zur Seite stehe. Im Hinblick auf dieses wichtige Thema danke Frau Dr. Felger dem Weinheimer DGB für sein Engagement und führte auch einige Vorschläge ins Feld, wie von Seiten der Gewerkschaften bei der Verbesserung der Übergangsmöglichkeiten geholfen werden könne. So seien beispielsweise die ehrenamtlichen Helfer, die in Schulen über die Arbeitswelt informieren, meist viel älter als die Schüler. Hilfreich wäre es, wenn die Gewerkschaften über ihre Betriebsräte vor allem Azubis und junge Fachkräfte gewinnen könnte, um Schülern diese wichtigen Informationen zu vermitteln.
Kompetenz vermitteln
Zweitens sei es von großer Bedeutung, dass vor allem auch die Gewerkschafter bei Betriebspraktika von Schülern darauf achten könnten, dass diese Praktika auch tatsächlich von guter Qualität seien. Als dritten Punkt sprach Dr. Felger an, dass Lehrer in der Regel von der Arbeitswelt in der Privatwirtschaft recht weit entfernt seien. Die Gewerkschaften könnten also Lehrkräften Einblicke in die Arbeitswelt verschaffen, was deren Kompetenzen bei der Wissensvermittlung erweitern könne.
In der an die Referate anschließenden lebhaften Diskussion wurde allgemeine Einigkeit erzielt, dass der DGB in Weinheim am Thema dran bleiben werden. Zum Einen wolle man verstärkt auf die Qualität der Betriebspraktika achten. Zum Anderen sahen die Gewerkschafter große Defizite in der Vermittlung von Arbeitnehmerwissen im Schulunterricht.
Hier wolle man Modellprojekte aus anderen Regionen auswerten, bei denen Betriebsräte direkt an Schulen gegangen sind, um über zentrale Punkte wie Arbeitnehmerrechte und die betriebliche Mitbestimmung zu informieren. Dem örtlichen Vorstand des DGB, bestehend unter anderem aus der Vorsitzenden Maria-Luise Weiß und ihrem Stellvertreter Carsten Labudda, wurde mitgegeben, ein solches Projekt auch in Weinheim anzustoßen.
Weinheim. Im Rahmen einer gut besuchten Konferenz befasst sich der Deutsche Gewerkschaftsbund mit dem Thema "Aus-/Bildung". Den ersten Fachvortrag hielt Hans Ulrich Nordhaus, der beim Bundesvorstand des DGB für den Bereich Bildung, Qualifizierung und Forschung zuständig ist. Er erläuterte den gegenwärtigen Stand im Bildungs- und Ausbildungswesen in Deutschland.
Insbesondere die Übergangsprobleme von der Schule in die Ausbildung standen dabei im Mittelpunkt. So würden nur 43 Prozent der Hauptschulabsolventen eine Ausbildungsstelle finden. Die Mehrheit lande nach dem Abschluss in Warteschleifen. Auf der anderen Seite, so Nordhaus, schaffen es 83 Prozent der Akademikerkinder an die Universität. Bei den Kindern von Nicht-Akademikern seien es nur 23 Prozent.
Die Herstellung von Chancengleichheit sei deshalb eine der großen Herausforderungen, die das Bildungssystem in Deutschland erst noch zu meistern habe. Aus den Ergebnissen der Bildungsforschung heraus plädierte Nordhaus dafür, dass die Kinder länger gemeinsam lernen sollten. "Die Trennung nach der vierten Klasse kommt viel zu früh", so Nordhaus.
"Schmalspur"-Ausbildung
Im Bereich der Ausbildung machte der Gewerkschafter zwei Besorgnis erregende Trends aus. Auf der einen Seite zeigten die Unternehmen eine verringerte Neigung auszubilden. Sie würden oft versuchen, die Ausbildungskosten zu senken, und versuchten dann, bereits fertig ausgebildetes Personal zu finden. Die andere Seite der Medaille sei die Zunahme von "Schmalspur-Ausbildungen", mit welchen unvermeidliche Lücken beim Angebot an qualifiziertem Personal ausgeglichen werden sollten. Diese Entwicklung hielt Nordhaus für fatal. Dringend nötig sei die seit Jahren diskutierte Ausbildungsumlage.
Im zweiten Vortrag wurde das Thema des Übergangs von der Schule in die Ausbildung auf der lokalen Ebene beleuchtet. Dr. Susanne Felger von der kommunalen Koordinationsstelle für das Übergangsmanagement Schule-Beruf der Stadt Weinheim berichtete über die Aktivitäten der Stadt auf diesem Gebiet.
So würden an der Bergstraße nur 22 Prozent der Hauptschulabsolventen direkt eine Ausbildungsstelle finden. Von den 16 Prozent, die ins Berufsvorbereitungsjahr wechseln, würden dann immerhin noch 19 Prozent eine Ausbildung beginnen können. Hier sei die Stadt in den letzten Jahren aktiv geworden, um diese Probleme mit kommunalen Mitteln zu verringern. Hierzu habe die Stadt die kommunale Koordinierungsstelle geschaffen, welche für eine bessere Vernetzung der verschiedenen Akteure und Initiativen sorgen soll.
Die Jugendberufshilfe werde durch die kommunale Agentur Job Central geleistet, welche in diesem Jahr ihr zehntes Bestehen feiern könne. Der Oberbürgermeister habe sich weiterhin mit der Berufsintegrationskommission ein Expertengremium geschaffen, welches ihm bei dieser Chefsache beratend zur Seite stehe. Im Hinblick auf dieses wichtige Thema danke Frau Dr. Felger dem Weinheimer DGB für sein Engagement und führte auch einige Vorschläge ins Feld, wie von Seiten der Gewerkschaften bei der Verbesserung der Übergangsmöglichkeiten geholfen werden könne. So seien beispielsweise die ehrenamtlichen Helfer, die in Schulen über die Arbeitswelt informieren, meist viel älter als die Schüler. Hilfreich wäre es, wenn die Gewerkschaften über ihre Betriebsräte vor allem Azubis und junge Fachkräfte gewinnen könnte, um Schülern diese wichtigen Informationen zu vermitteln.
Kompetenz vermitteln
Zweitens sei es von großer Bedeutung, dass vor allem auch die Gewerkschafter bei Betriebspraktika von Schülern darauf achten könnten, dass diese Praktika auch tatsächlich von guter Qualität seien. Als dritten Punkt sprach Dr. Felger an, dass Lehrer in der Regel von der Arbeitswelt in der Privatwirtschaft recht weit entfernt seien. Die Gewerkschaften könnten also Lehrkräften Einblicke in die Arbeitswelt verschaffen, was deren Kompetenzen bei der Wissensvermittlung erweitern könne.
In der an die Referate anschließenden lebhaften Diskussion wurde allgemeine Einigkeit erzielt, dass der DGB in Weinheim am Thema dran bleiben werden. Zum Einen wolle man verstärkt auf die Qualität der Betriebspraktika achten. Zum Anderen sahen die Gewerkschafter große Defizite in der Vermittlung von Arbeitnehmerwissen im Schulunterricht.
Hier wolle man Modellprojekte aus anderen Regionen auswerten, bei denen Betriebsräte direkt an Schulen gegangen sind, um über zentrale Punkte wie Arbeitnehmerrechte und die betriebliche Mitbestimmung zu informieren. Dem örtlichen Vorstand des DGB, bestehend unter anderem aus der Vorsitzenden Maria-Luise Weiß und ihrem Stellvertreter Carsten Labudda, wurde mitgegeben, ein solches Projekt auch in Weinheim anzustoßen.
labudda - 10. Feb, 14:25
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