Mit Musik und Kabarett gegen eine sterbende Stadt

[Weinheimer Nachrichten vom 05. Februar 2007]

Weinheim. (sf) Drei Häuserruinen ragen wie von Karies befallene Zahnstümpfe in die Luft, darunter der Spruch "Ohne Arbeit stirbt die Stadt". So sah das Plakat für das Solidaritätsfest aus, das am Samstagabend im Weinheimer Rolf-Engelbrecht-Haus stattfand. Gut 400 Besucher sahen ein mehrstündiges Kulturprogramm, wobei alle Künstler ohne Gage auftraten und somit gleich doppelt mithalfen, die öffentliche Diskussion um Stellenabbau in Weinheim und der Region anzustoßen.

Genau darin sieht das veranstaltende Solidaritätskomitee für den Erhalt der Arbeitsplätze in Weinheim und der Region seine Aufgab, was es auch schon mit mehreren Aktionen im vergangenen Jahr gezeigt hat. Der Anstoß für das Fest am Samstag kam von der Alstom-Belegschaft in Mannheim, die mittlerweile seit vielen Jahren gegen Verlagerung und Abbau von Arbeitsplätzen kämpft. "Vieles ist beispielhaft und nachahmenswert. Denn die Kollegen zeigen, dass man nicht den Kopf in den Sand stecken darf", bezeichnete es Helmut Schmitt als Sprecher des Komitees. Dass bestimmte Taktiken bereits übernommen wurden, das zeigte sich vor gut zwei Wochen, als Mitarbeiter der Bausysteme KG im Rahmen einer zwei Tage andauernden Betriebsversammlung den Industriepark Freudenberg zehn Stunden lang blockierten (wir haben berichtet). Dies "war ein Signal gegen das weit verbreitete Gefühl der Hilflosigkeit", so Schmitt. So wie er standen an dem Abend gleich mehrere Redner auf der Bühne, darunter auch der Alstom-Betriebsratsvorsitzende Udo Belz, der unter anderem das komplette Gesellschaftssystem in Frage stellte. Wesentlich ruhiger präsentierte sich Volker Schneider, der Betriebsrat von Coronet International in Wald-Michelbach. Er schilderte die Aufspaltung des Unternehmens und den Abbau von Arbeitsplätzen anhand eines Besens. Ursprünglich im Überwald gefertigt, komme das gute Stück heute komplett aus Indien. Der Preis steht im Vordergrund und dabei räumte Schneider ein, dass Deutschland mit Blick auf die Fertigungskosten nicht konkurrenzfähig sei. Er betrachtete das Problem aber von der anderen Seite und forderte die Politik auf, per Gesetz für vollere Lohntüten zu sorgen, damit auch hierzulande teurer gefertigte Produkte gekauft werden könnten.

Das Kulturprogramm selbst hätte in der Folge bunter nicht sein können. Den "Eisbrecher" machten zwei junge Bands aus dem Pöhlert Musicclub und mit dem zum Duo geschrumpften Trio "Härzbluut" hatten die Veranstalter den richtigen Riecher in Sachen scharfzüngiges Musik-Kabarett. So ging es weiter Schlag auf Schlag, über die beiden Clowns Lotte und Frida und einer türkischen Tanzgruppe bis hin zu der Band "Short-Cut", die den musikalischen Schlusspunkt setzte. Ausgefüllt war der Abend natürlich mit vielen Gesprächen der Arbeitnehmer untereinander. Und die kamen nicht nur aus Weinheim, sondern auch aus dem Odenwald und Mannheim, unter anderem vertreten durch eine Abordnung des Daimler-Chrysler-Werkes Mannheim. Optisch am stärksten präsentierten sich aber Mitarbeiter von Alstom Mannheim, die für jeden sichtbar T-Shirts mit dem Aufdruck "Unsere Chance - Résistance" trugen.

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