Blockade mit System errichtet
[Rhein-Neckar-Zeitung vom 20. Januar 2007]
(nam) Freitagmittag, Zwölf Uhr, Industriepark Freudenberg: Die komplette Produktion der Bausysteme KG (FBS) steht still, sowie ein Großteil der Dichtungs- und Schwingungstechnik, Teile der Faservlies und der Service KG, ist vom Eurobetriebsratvorsitzenden Bernd Schneider zu erfahren. Rund 1000 Mitarbeiter verschiedener KGs hätten ihre Arbeit niedergelegt und blockieren sämtliche Tore. "In 150 Jahren Freudenberg passiert ein Protest in diesem Ausmaß zum ersten Mal", sagt Schneider.
Mindestens 90 Prozent der Produktion sei lahm gelegt, verlauten die Protestierenden an Tor 1 und an Tor 2. Viele Freudenberger schließen sich aus Solidarität mit den Mitarbeitern der Bausysteme dem Protest an. "So einen Zusammenhalt hätte ich nicht erwartet", meint ein FBS-Mann. "Wir haben nichts mehr zu verlieren. Werden die Bausysteme verkauft, hat das Folgen für die Region, für die Kaufkraft und die Infrastruktur in Weinheim", sagt ein anderer. "Unseriöses Geschäftsgebaren" werfen sie der Konzernleitung vor. Und verweisen darauf, dass in diesem Jahr ein Gewinn in Millionenhöhe geplant sein sollte. "Gestern haben wir Nora geschadet, heute schaden wir dem Konzern", sagt ein Gewerkschafter. FBS-Betriebsratsvorsitzender Karl-Heinz Kuschel wird deutlich: "Wir fühlen uns verarscht. Solange es kein schlüssiges Konzept gibt, haben wir hier ein Problem. Der Verkauf der Bausysteme wird nicht das Ende sein, sondern der Anfang". Eine schriftliche Bestätigung, dass die Verhandlungen gestoppt sind, fordert der Betriebsrat.
Er hatte noch Oberbürgermeister Heiner Bernhard zur Betriebsversammlung am Donnerstag eingeladen. Dieser demonstrierte mit seiner Anwesenheit Solidarität, sagte aber auch, dass er keine Unternehmensentscheidung kommentieren könne, bevor sie überhaupt gefällt sei. Sein Versuch, vermittelnd einzugreifen, fruchtete aber nicht.
Die Betriebsversammlung lief über die Nacht, am Freitagmorgen unterbrachen sie die Mitarbeiter und marschierten zu den Toren des Werksgeländes. Und machten sie dicht. Ab fünf Uhr in der Früh gab es kein Durchkommen mehr. Betroffen davon waren vor allem die Lasterfahrer, deren Brummis sich im Werksgelände selbst und davor stauten. Laster, die auf Schleichwegen versuchten, aufs Werksgelände zu fahren, wurden abgefangen und blockiert. Dauerhupen oder Gas geben zeigte keine Wirkung.
Wenn ein Laster die Blockade nicht aufbrechen kann, schafft das auch kein Ford Focus. Diese Erfahrung machte ein Mann an Tor 1. Die Protestierenden stellten sich seinem Auto in den Weg, er wendete mit quietschenden Reifen, um anschließend fluchend durch die Reihen der Blockade zu sprinten.
In einem Gespräch sollen Polizei, Standortverantwortlicher Jörg Sost sowie Personalchef Lorenz Freudenberg die Protestierenden auf strafrechtliche Konsequenzen aufmerksam gemacht haben. Was jene aber nicht beeindruckt hat: "Alle waren der Meinung, wir sollen weitermachen", gibt Kuschel die Parole aus.
Um halb zwölf verkündet ein Gewerkschafter, dass der Personalchef Freudenberg den Werkschutz angewiesen habe, die Lkw bis auf weiteres nicht durchfahren zu lassen. Die Mitarbeiter applaudieren. Und um kurz vor halb eins kommt Freudenberg selbst zu Tor 2, um mit der Belegschaft zu sprechen. Er ist ruhig und sachlich, wartet immer wieder Sprechchöre und Unmutsäußerungen ab, die aber schnell verstummen. Bei den Verhandlungen in Frankfurt rechne man seit drei Wochen jeden Tag mit einem Durchbruch. Man wolle die Belegschaft informieren, sobald es etwas Neues gebe.
"Wir sind doch keine Sklaven von euch! Wer wird als nächstes verkauft? Es gibt keinen Grund, uns zu verkaufen! Wieso glaubt Freudenberg nicht, dass wir profitabel sind?", fragen und rufen die Protestierenden. Lorenz Freudenberg erklärt: "Dass ich dem einen oder anderen von Ihnen noch in einiger Zeit in der Kantine begegne, daran arbeiten wir". Freudenberg betreibe viele Geschäfte unter einem Dach, die nicht alle gleich entwickelt werden könnten. "Wir trauen uns nicht zu, die Bausysteme auf längere Sicht stark zu betreiben". Jetzt habe die KG eine Trendwende geschafft: "Und welcher Unternehmer macht ein Unternehmen kaputt, das profitabel ist?", fragt Freudenberg.
Die Verhandlungen seien so zäh, da man den langfristigen Erhalt des Standorts sichern wolle und vom Partner genaue Vorstellungen verlange, wie er die Bausysteme strategisch weiterentwickeln wolle. Um die Situation zu entspannen, forderte Freudenberg die Protestierenden auf, zumindest die seit Stunden wartenden Lasterfahrer hinauszulassen, und ihnen die Heimfahrt zu ermöglichen.
Um 15 Uhr nach zehn Stunden heben die Mitarbeiter ihre Blockade schließlich auf und setzen die Betriebsversammlung fort, die sich bis in die Morgenstunden hinziehen könnte. "Die Aktion hat sehr viel gebracht", sagt Kuschel, der vom "einlenken" nichts wissen will.
(nam) Freitagmittag, Zwölf Uhr, Industriepark Freudenberg: Die komplette Produktion der Bausysteme KG (FBS) steht still, sowie ein Großteil der Dichtungs- und Schwingungstechnik, Teile der Faservlies und der Service KG, ist vom Eurobetriebsratvorsitzenden Bernd Schneider zu erfahren. Rund 1000 Mitarbeiter verschiedener KGs hätten ihre Arbeit niedergelegt und blockieren sämtliche Tore. "In 150 Jahren Freudenberg passiert ein Protest in diesem Ausmaß zum ersten Mal", sagt Schneider.
Mindestens 90 Prozent der Produktion sei lahm gelegt, verlauten die Protestierenden an Tor 1 und an Tor 2. Viele Freudenberger schließen sich aus Solidarität mit den Mitarbeitern der Bausysteme dem Protest an. "So einen Zusammenhalt hätte ich nicht erwartet", meint ein FBS-Mann. "Wir haben nichts mehr zu verlieren. Werden die Bausysteme verkauft, hat das Folgen für die Region, für die Kaufkraft und die Infrastruktur in Weinheim", sagt ein anderer. "Unseriöses Geschäftsgebaren" werfen sie der Konzernleitung vor. Und verweisen darauf, dass in diesem Jahr ein Gewinn in Millionenhöhe geplant sein sollte. "Gestern haben wir Nora geschadet, heute schaden wir dem Konzern", sagt ein Gewerkschafter. FBS-Betriebsratsvorsitzender Karl-Heinz Kuschel wird deutlich: "Wir fühlen uns verarscht. Solange es kein schlüssiges Konzept gibt, haben wir hier ein Problem. Der Verkauf der Bausysteme wird nicht das Ende sein, sondern der Anfang". Eine schriftliche Bestätigung, dass die Verhandlungen gestoppt sind, fordert der Betriebsrat.
Er hatte noch Oberbürgermeister Heiner Bernhard zur Betriebsversammlung am Donnerstag eingeladen. Dieser demonstrierte mit seiner Anwesenheit Solidarität, sagte aber auch, dass er keine Unternehmensentscheidung kommentieren könne, bevor sie überhaupt gefällt sei. Sein Versuch, vermittelnd einzugreifen, fruchtete aber nicht.
Die Betriebsversammlung lief über die Nacht, am Freitagmorgen unterbrachen sie die Mitarbeiter und marschierten zu den Toren des Werksgeländes. Und machten sie dicht. Ab fünf Uhr in der Früh gab es kein Durchkommen mehr. Betroffen davon waren vor allem die Lasterfahrer, deren Brummis sich im Werksgelände selbst und davor stauten. Laster, die auf Schleichwegen versuchten, aufs Werksgelände zu fahren, wurden abgefangen und blockiert. Dauerhupen oder Gas geben zeigte keine Wirkung.
Wenn ein Laster die Blockade nicht aufbrechen kann, schafft das auch kein Ford Focus. Diese Erfahrung machte ein Mann an Tor 1. Die Protestierenden stellten sich seinem Auto in den Weg, er wendete mit quietschenden Reifen, um anschließend fluchend durch die Reihen der Blockade zu sprinten.
In einem Gespräch sollen Polizei, Standortverantwortlicher Jörg Sost sowie Personalchef Lorenz Freudenberg die Protestierenden auf strafrechtliche Konsequenzen aufmerksam gemacht haben. Was jene aber nicht beeindruckt hat: "Alle waren der Meinung, wir sollen weitermachen", gibt Kuschel die Parole aus.
Um halb zwölf verkündet ein Gewerkschafter, dass der Personalchef Freudenberg den Werkschutz angewiesen habe, die Lkw bis auf weiteres nicht durchfahren zu lassen. Die Mitarbeiter applaudieren. Und um kurz vor halb eins kommt Freudenberg selbst zu Tor 2, um mit der Belegschaft zu sprechen. Er ist ruhig und sachlich, wartet immer wieder Sprechchöre und Unmutsäußerungen ab, die aber schnell verstummen. Bei den Verhandlungen in Frankfurt rechne man seit drei Wochen jeden Tag mit einem Durchbruch. Man wolle die Belegschaft informieren, sobald es etwas Neues gebe.
"Wir sind doch keine Sklaven von euch! Wer wird als nächstes verkauft? Es gibt keinen Grund, uns zu verkaufen! Wieso glaubt Freudenberg nicht, dass wir profitabel sind?", fragen und rufen die Protestierenden. Lorenz Freudenberg erklärt: "Dass ich dem einen oder anderen von Ihnen noch in einiger Zeit in der Kantine begegne, daran arbeiten wir". Freudenberg betreibe viele Geschäfte unter einem Dach, die nicht alle gleich entwickelt werden könnten. "Wir trauen uns nicht zu, die Bausysteme auf längere Sicht stark zu betreiben". Jetzt habe die KG eine Trendwende geschafft: "Und welcher Unternehmer macht ein Unternehmen kaputt, das profitabel ist?", fragt Freudenberg.
Die Verhandlungen seien so zäh, da man den langfristigen Erhalt des Standorts sichern wolle und vom Partner genaue Vorstellungen verlange, wie er die Bausysteme strategisch weiterentwickeln wolle. Um die Situation zu entspannen, forderte Freudenberg die Protestierenden auf, zumindest die seit Stunden wartenden Lasterfahrer hinauszulassen, und ihnen die Heimfahrt zu ermöglichen.
Um 15 Uhr nach zehn Stunden heben die Mitarbeiter ihre Blockade schließlich auf und setzen die Betriebsversammlung fort, die sich bis in die Morgenstunden hinziehen könnte. "Die Aktion hat sehr viel gebracht", sagt Kuschel, der vom "einlenken" nichts wissen will.
labudda - 20. Jan, 12:55
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