Gesellschaftliche Grundwerte in Gefahr

Empfang zum 1. Mai im Weinheimer Rathaus

[Weinheim Aktuell vom 05. Mai 2006]

"Was sich im Verlauf der letzten 12 Monate auf den Gebieten Wirtschaft und Arbeitsmarkt vollzog, hat das soziale Klima in unserem Land sehr negativ beeinflusst, auch in Weinheim. Das macht mir Sorgen und bewegt mich in dieser Stunde besonders", so Oberbürgermeister Heiner Bernhard beim Empfang zum 1. Mai im Rauthaus. Die Versammelten, darunter die Bundestagsabgeordneten Lothar Binding und Karl A. Lamers sowie die Landtagsabgeordneten Hans Georg Junginger und Uli Sckerl, sprach er sowohl in seiner Funktion als städtischer "Gehaltsempfänger" an als auch in der Position des Verwaltungschefs, der den "Arbeitgeber" Stadt vertritt.

"Verständnis"

Unter Hinweis auf die ihm vom "Solidaritätskomitee für die Erhaltung der Arbeitsplätze in Weinheim und der Region" Ende März vorgelegten 3.624 Unterschriften gegen Stellenabbau fuhr der OB fort: "Ich habe bei diesem Anlass davor gewarnt, die namentlich genannten Firmen Freudenberg Vliesstoffe, Naturin, Druckerei Beltz und Drei Glocken über einen Kamm zu scheren, weil die Maßnahmen unterschiedliche Gründe haben. Dennoch habe ich zugesagt, auf den Wegen, die mir zur Verfügung stehen, alles zu versuchen, etwas gegen den Stellenabbau zu tun." Kritisch setzte sich Bernhard sowohl mit Zitaten von Spitzenmanagern in punkto Top-Gehältern, Arbeitsplatzabbau und Allgemeinwohl auseinander als auch mit dem Vorgehen der Gewerkschaft ver.di beim Tarifkonflikt. Er appellierte an beide Seiten, sich um ein sachliches und harmonisches Klima zu bemühen, statt die jeweils anderen bewusst herauszufordern. "Wir brauchen - nach wie vor - in diesen Tagen vielleicht mehr denn je, ein ernsthaftes Bemühen um gegenseitiges Verständnis", betonte er und forderte angesichts des 1.-Mai-Aufmarschs in Weinheim und der Region dazu auf, die freiheitlich-demokratischen Werte gegen "rechtsextremistische Umtriebe" zu verteidigen.

"Menschenwürde"

Für den erkrankten 1. Vorsitzenden des DGB Weinheim, Jürgen Gulden, sprach dessen Tochter Tina, die das Motto der Gewerkschaften zum 1. Mai 2006 "Deine Würde ist unser Maß" nannte, es mit idealistischen Gesellschaftsentwürfen der Vergangenheit verglich und hinzufügte: "Anhand dieses Mottos können Sie erkennen, wie bescheiden die Gewerkschaften geworden sind." Um das Grundgesetz und seine Bürger zu schützen, zeigten der Staat und seine ausführenden Organe "leider nur eine sehr schwache Leistung". Über sechs Millionen Menschen bei uns in der Bundesrepublik seien vom Erwerbsleben ausgeschlossen und besäßen außer ihrer Würde nur ihre Arbeitskraft. Der DGB: "Primäres Ziel der Bundesagentur für Arbeit sei nicht, etwa möglichst viele Menschen mit einem gut bezahlten Arbeitsplatz zu versorgen, sondern die Zahl der Leistungsempfänger zu reduzieren." Hartz IV, von FDP, CDU, Grünen, SPD und CSU beschlossen, sorgte nun dafür, dass zunächst alle Vermögenswerte aufgebraucht werden müssen, bevor staatliche Hilfe geleistet werde. "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spüren immer mehr, dass sie nur noch Kostenfaktoren sind", so die Referentin. Von einem Selbstbestimmungsrecht der anhängig Beschäftigten könne keine Rede sein und viele Menschen hätten das Vertrauen in die Politiker verloren, die sich nicht mehr der Allgemeinheit verpflichtet fühlten. Sie sprach von grenzenlosem Profitwahn und von einer Verarmung großer Teile unserer Bevölkerung. So genannten Experten, die einen Aufschwung prophezeiten, wenn Sozialstaat und Gewerkschaften zerschlagen werden, müsse entgegengehalten werden: "Wäre es tatsächlich so, dann müsste es ja den Menschen da auf der Welt am besten gehen, wo es keinen Sozialstaat, keine Arbeitnehmerrechte, keine Gewerkschaften und keine Gesundheitsvorschriften gibt. Soweit ich mich auf der Welt auskenne, verhält es sich aber genau umgekehrt."

Schon in der Weimarer Republik habe man durch Sparen bei den Ärmsten und Zugeständnisse an die Reichen das System retten wollen. "Es hat nicht funktioniert", so die Schlussfolgerung und am Ende die in den Raum geworfene Frage: "Wie weit sind wir gekommen, wenn wir uns am 1. Mai dagegen wehren müssen, dass Menschen, die stolz die menschenverachtende Nazi-Ideologie vertreten, öffentlich in Weinheim für soziale Gerechtigkeit demonstrieren wollen?"

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